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„Erstes“ Pestgebet Muršilis II.

[§ 1]
1 -- Götter, meine Herren, alle männlichen Götter, alle weiblichen Götter, Götter des Landes Ḫatti, alle männlichen Götter des Eides, alle weiblichen Götter des Eides, alle uralten männlichen Götter, alle uralten weiblichen Götter, ihr Götter, die ihr an jenem Tage in die Versammlung zum Eid in den Zeugenstand gerufen worden seid, Berge, Flüsse, Quellen, und unterirdische Wasserläufe:
2 -- ICH hier, Muršili, euer Priester, euer Diener, habe euch den Fall dargelegt.
3 -- Wegen welcher Angelegenheit ich euch gerade meine Falldarlegung mache,
4 -- hört meine Angelegenheit, ihr Götter, meine Herren!

[§ 2]

5 -- Götter, meine Herren, im Innern des Landes Ḫatti brach eine Seuche aus.
6 -- Das Land Ḫatti wurde von der Seuche bedrückt.
7 -- Es wurde stark bedrängt.
8 -- Dies ist das 20. Jahr,
9 -- dass im Lande Ḫatti in großer Zahl gestorben wird.
10 -- Auf MIR lastete die Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, des Sohnes des Tudḫaliya, schwer.
11 -- Auch von der Gottheit ermittelte ich sie durch Orakel.
12 -- Die Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, wurde auch von der Gottheit festgestellt.
13 -- Was das betrifft, dass Tudḫaliya, der Jüngere, für das Land Ḫatti ihr Herr war:
14 -- Auf ihn legten die Prinzen von Ḫattuša, die Herren, die Anführer von Tausend, die Würdenträger und die Fuß- und Wagentruppen ein jeder einen Eid ab.
15 -- Auch mein Vater legte auf ihn einen Eid ab.

[§ 3]

16 -- Später aber bedrängte mein Vater den Tudḫaliya.
17 -- Das Land von Ḫattuša aber, die Prinzen, die Herren, die Anführer von Tausend, die Würdenträger schlossen sich ein jeder meinem Vater an.
18 -- Sie fehlten gegen Tudḫaliya, ihren Herrn der Eide, 
19 -- und töteten ihn.
20 -- Seine Brüder, [ ... ] und Pirwa,  [ ... ],
21 -- ergriffen sie
22 -- und schickten sie nach Zypern. 
23 -- Was das betrifft, dass Tudḫaliya ihnen ihr Herr war
24 -- – jene aber waren ihm seine Diener des Eides – :
25 -- Sie brachen EUREN, meiner Herren, Göttereid
26 -- und töteten Tudḫaliya.

[§ 4]

27 -- Ihr Götter, meine Herren, beschütztet meinen Vater.
28 -- Ihr standet in ....
29 -- Was das betrifft, dass Ḫattuša vom Feind …:
30 -- Der Feind hatte das Gebiet des Landes Ḫatti genommen.
31 -- Er schlug [ ... ] 
32 -- und er tötete sie
33 -- und er nahm auch die [ ... ] des Landes Ḫatti.
34 -- Das Gebiet aber nahm er ihnen weg.
35 -- [ ... ] sie wieder ... .
36 -- Weiterhin nahm er sich auch andere umliegende Feindesländer zur Königsherrschaft.
37 -- Er ließ das Land Ḫatti gedeihen. 
38 -- Ihm [...] er die Grenzen auf dieser und auf jener Seite.
39 -- Unter ihm ging es dem ganzen Land Ḫatti gut.
40 -- Unter ihm wurden [ ... ], Rind und Schaf zahlreich. 
41 -- Sogar die Zivilgefangenen, die aus dem Feindesland ... , 
42 -- (sogar die) gediehen.
43 -- Nichts und niemand ging zugrunde.
44 -- Später [tötet?] ihr, ihr Götter, meine Herren,
45 -- und [ ... ] rächtet ihr jene Angelegenheit des Tudḫaliya, des Jüngeren, an meinem Vater jetzt im Nachhinein.
46 -- Mein Vater starb wegen der Bluttat an Tudḫaliya.
47 -- Welche Prinzen, Herren, Anführer von Tausend (und) Würdenträger sich ihm angeschlossen hatten,
48 -- die starben wegen jener Angelegenheit.
49 -- Eben jene Angelegenheit erreichte auch das Land Ḫatti.
50 -- Seither siecht das Land Ḫatti wegen der Angelegenheit dahin.
51 -- Das Land Ḫatti [ ... ] in der Folgezeit. 
52 -- Jetzt aber wurde die Seuche noch weiter drückend.
53 -- Das Land Ḫatti wurde durch die Seuche [ ... ] bedrängt
54 -- und es wurde klein.
55 -- ICH aber, Muršili, euer Diener, bezwinge die von meinem Herzen ausgehende Qual nicht. 
56 -- Die von meinem Körper ausgehende Angst bezwinge ich nicht.

[§ 5]

57 -- Die Götter, meine Herren, welche er [ ... ]  
58 -- was das betrifft, dass ihr dem [ ... ] aus der Versammlung zum Eid in den Zeugenstand gerufen worden seid:
59 -- Als damals Ḫattuša, jeder einzelne, einen Eid auf [ ... ]ablegte,
60 -- [ ... ] sie (sich).
61 -- Was das betrifft, dass sie später aber ihren Herrn des Eides [ ... ]: 
62 -- solange (ihr) Götter, meine Herren, in jenem Gerichtsverfahren nicht ...,
63 -- rächtet ihr ein zweites Mal jene Bluttat gar nicht.
64 -- Die [...], (ihr) Götter, meine Herren, [ ... ] überlegen.

[§ 6]

65 -- [ … ] aber vergehen sich [ ... ].
66 -- (ihr) Götter, meine Herren, welche den Eid [ ... ].
67 -- [ ... ] ihren [ ... ] töteten sie.
68 -- Jener Tage [...],
69 -- die sind bereits gestorben.
70 -- Sie [ ...].
71 -- Welche aber aus dem Haus [ ... ].

[§ 7']

72 -- Auch wird im Lande Ḫatti  ... (weiter) gestorben.
73 -- [...] vergeht sich [ ... ].
74 -- Unter [ ... ].
75 [ ...] aber seinem [ ... ].
76 -- Was das betrifft, dass mein Vater [ ... ]:
77 -- [ ... ] meines Vaters [ ... ].
78 -- Ich habe [ ... ] gestanden.
79 -- Was das betrifft, dass mein Vater den Tudḫaliya [ ... ]:
80 -- Mein Vater machte …  deswegen hinterher ein Ritual wegen der Bluttat.
81 -- Ḫattuša aber tat nichts ... .
82 -- Später aber machte auch ich ein Ritual wegen der Bluttat
83 -- Das Land aber tat nichts.
84 -- ... nicht etwas wegen des Landes. 

[§ 8']

85 -- Was das betrifft, dass das Land Ḫatti jetzt aber von der Seuche stark bedrückt wurde:
86 -- So siecht das Land Ḫatti dahin.
87 -- Und die Angelegenheit des Tudḫaliya wurde dem Land schwer. 
88 -- Sie wurde mir auch von der Gottheit festgestellt
89 -- und ich habe darüber eine Orakelanfrage angestellt.
90 -- Für EUCH, die Götter, meine Herren, (und) für eure Tempel ist Meineid als Ursach) für die Seuche im Land festgestellt worden: 
91 -- Vor EUCH, den Göttern, meinen Herren, wird man das Ritual wegen des Meineides ausführen.
92 -- So wird man sie (die Verpflichtung) [ ... ] erfüllen.
93 -- Auch ICH leiste EUCH, den Göttern, meinen Herren, gerade ein Entschädigungs- und Aussöhnungsopfer wegen der Seuche im Land.

[§ 9']

94 -- Was das betrifft, dass ihr Götter, meine Herren, die Bluttat an Tudḫaliya rächt:
95 -- Die, die Tudḫaliya getötet haben,
96 -- jene haben für die Bluttat gebüßt.
97 -- Jene Bluttat hat auch noch das Land Ḫatti völlig zerstört,
98 -- und auch das Land Ḫatti hat für sie bereits gebüßt.
99 -- Und was das betrifft, dass sie (scil. die Bluttat) jetzt MICH erreicht hat:
100 -- Auch ICH entschädige für sie jetzt gemeinsam mit meinem Haus mittels eines Entschädigungs- und Aussöhnungsopfers.
101 -- Der Sinn soll sich (euch) Göttern, meinen Herren, wieder beruhigen!
102 -- Ihr Götter, meine Herren, nehmt mir gegenüber wieder eine gütige Gesinnung an!
103 -- Ich will vor euch erscheinen! 
104 -- Und was auch immer ich jetzt zu euch sage,
105 -- hört mich!
106 -- Was das betrifft, dass ICH nichts Böses getan habe:
107 -- Die, die frevelten
108 -- und Böses taten,
109 -- keiner jenes Tages ist gerade mehr da.
110 -- Sie sind bereits verstorben.
111 -- Was das betrifft, dass die Angelegenheit meines Vater aber MICH erreicht hat:
112 -- Ich hier gebe EUCH, den Göttern, meinen Herren, gerade ein Aussöhnungsopfer wegen der Seuche des Landes
113 -- und vollziehe gerade ein Entschädigungsopfer.
114 -- Ich entschädige euch gerade mittels eines Aussöhnungs- und eines Entschädigungsopfers.
115 -- Ihr Götter, meine Herren, nehmt mir gegenüber wieder eine gütige Gesinnung an!
116 -- Vor) euch will ich erscheinen!
117 -- Was das betrifft, dass die Seuche das Land Ḫatti bedrängte
118 -- und es klein geworden ist:
119 -- Welche EUCH, den Göttern, meinen Herren, Brot und Gussopfer zu bereiten pflegten,
120 -- die bedrückte die Seuche stark.
121 -- Die Seuche [...] sie/es (scil. die Opfer oder das Land). 
122 -- Sie ist da. 
123 -- Die Seuche aber nimmt kein Ende. 
124 -- So wird weiter gestorben.
125 -- Welche Brot- und Weinopferer schon wenige geworden sind,
126 -- wenn sie (alle) zugrunde gehen,
127 -- gibt euch keiner mehr irgendwelches Brot und Gussopfer.

[§ 10']

128 -- Welchen ... IHR, Götter, meine Herren, ... um des Brotes und Gussopfers willen, 
129 -- [ ... ], 
130 -- nehmt mir gegenüber eine gütige Gesinnung an!
131 -- Vor euch will ich erscheinen!
132 -- Schickt die Seuche aus dem Lande Ḫatti!
133 -- Welche Brot- und Weinopferer für euch wenig sind,
134 -- sie sollen nicht mehr bedrängt werden!
135 -- Sie sollen nicht weiter dahinsterben! 
136 -- Sie sollen euch Brot und Gussopfer bereiten!
137 -- Ihr Götter, meine Herren, [ ... ] schickt die Seuche fort! 
138 -- Und welche bösen Dinge auch immer wegen ...  des Tudḫaliya im Inneren des Landes Ḫatti geschehen sind, 
139 -- (ihr) Götter, schickt sie [fort] 
140 -- und schickt sie ins Feindesland!
141 -- Dem Land Ḫatti gegenüber aber nehmt wieder eine gütige Gesinnung ein!
142 -- Im Lande soll es wieder gut sein!
143 -- Auch ICH, euer Priester, euer Diener, möchte vor euch erscheinen!
144 -- Nehmt mir gegenüber eine gütige Gesinnung an!
145 -- Schickt die Qual fort aus meinem Herzen!
146 -- Von meinem Körper aber nehmt (mir) die Angst!

[§ 11']

147 -- Erste Tafel, beendet.
148 -- Wie Muršili seine Falldarlegung [ ... ] wegen der Seuche [ ... ] machte. 




CTH 378.1

Muršili II. war von 1321-1290 v.u.Z. hethitischer Großkönig

Tudḫaliya III. um 1355 v.u.Z. auf dem Thron, wurde von Šuppiluliuma (dem Bruder seines Vaters Tudḫaliya II.) ermordet. Die Usurpation Šuppiluliumas wird in keinen offiziellen Zeugnissen dieser Zeit erwähnt, sondern erscheint erst in den Pestgebeten Muršilis II., in denen dieser eine Seuche als Strafe der Götter für die Ermordung Tudḫaliyas interpretiert.


http://www.hethport.uni-wuerzburg.de/txhet_gebet/translatio.php?xst=CTH%20378.1&expl=&lg=DE&ed=E.%20Rieken%20et%20al.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Tudḫaliya_III.

Foto: https://www.hethport.adwmainz.de/fotarch/bildausw2.php?n=1858/u&x=6800e71aacbb1c8d8d358fc3388b9f87


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