aus: Jan Assmann "Ägyptische Hymnen
und Gebete"
ab S.422
1 Du erwachst schön, du HORUS, Himmelsquerer,
du Kind, das aus dem Phallus kam!
Du Feuerknabe mit funkelnden Strahlen,
der Finsternis und Dunkel vertreibt!
5 Hochgepriesenes Kind mit lieblicher Gestalt,
das müde ruht in seinem «heilen» Auge!
Der «alle Gesichter» erweckt auf ihren Matten
und die Schlangen in ihren Wüstentälern.
Dein Papyrusboot segelt auf dem Flammensee,
10 du querst den Himmel mit seinem Fahrtwind.
Die beiden Niltöchter zerbrechen dir den Frevler,
der von Ombos (Seth) erlegt ihn dir mit seinen Pfeilen;
GEB [ ... ]ihn auf seinem Rückenwirbel,
SELKIS trifft ihn in die Kehle;
15 die Glut dieser Uräusschlangen verbrennt ihn,
die auf den Pforten deines Hauses sind.
Die große Neunheit wütet gegen ihn,
sie jauchzen über sein Gemetzel;
die Horuskinder ergreifen die Messer,
20 die gemacht sind, um seine Wunden zu vermehren.
Heil! Dein Feind ist gefallen,
MAAT steht befestigt vor dir!
Du hast dich wieder in ATUM verwandelt
und reichst deine Hand den Herren des Totenreichs.
25 Die «Schlafenden» ( = Toten der Unterwelt) haben sich versammelt, deine Schönheit anzubeten,
dein Licht ist hell in ihren Gesichtern;
sie sagen dir, was sie auf dem Herzen haben,
und du gewährst ihnen von neuem deinen Anblick.
Du ziehst an ihnen vorüber, und Finsternis verhüllt sie,
30 jedermann (liegt) in seinem Sarge.
Du bist ein Herr, dessen man sich rühmt,
ein tatkräftiger Gott für unendliche Zeit,
der Recht spricht (als) Oberster des südlichen Kollegiums,
der die Wahrheit festsetzt und die Sünde angreift.
35 Gib, dass ich gerichtet werde zusammen mit dem, der mich
verletzt hat,
siehe, er ist stärker als ich,
der mein Amt raubte, es betrügerisch wegnahm,
gib du es mir wieder!
Siehe, ich muss es in seiner Hand sehen,
40 er aber ist es, der im Unrecht ist.
oKairo 25206 ed. Erman, in: ZÄS 38, 1900, 19ff.; Scharff, Sonnenlieder, 77f.; HPEA Nr. 35.
Text: Ägyptische Hymnen und Gebete (uzh.ch)
Bild: Atum – Wikipedia
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1 Du erwachst schön, du Falke des Morgens,
du Löwe der Nacht,
du erlauchter Widder(?), der die Augen öffnet,
du Stier, dessen Phallus herauskommt! (*1)
5 Du Hoher, dessen Lauf man nicht kennt,
wie geheimnisvoll sind deine Erscheinungsformen!
Große Macht, Erster des Lichtlands,
Hoher, Hoher, den niemand erreichen kann!
Große Lotosblume, die im Urwasser erschien,
10 du Kind der METHYER! (*2) Der das Licht schuf und die Finsternis vertrieb,
als die Erde in Wolkendunst lag.
Der jedem Auge das Sehvermögen schenkt
und vertreibt, was die Gesichter verdunkelt(?).
15 Der hervortrat zu ihnen aus dem verborgenen Ei, (*3) als Kind der Acht (*4);
er baute die Menschen mit den Tränen seines Auges (*5) und teilte den Bedarf der Götter ein.
Du verringertest die Nilüberschwemmung bis zu dem Ort, den
du wolltest,
20 als sein «Kopf» auf den Kupfer(bergen) (?) war
und dieses Land ganz im Urwasser war
und es nicht einmal den Wüstenrand gab, worauf man hätte
treten können. Du hast die Hafenplätze gefunden und die Städte gegründet,
du hast die Götter eingesetzt auf ihren Sitzen,
[ ... ]
oKairo 25207. Erman, a.a.O., 23ff.; HPEA Nr. 36.
(*1) Falke - Löwe - Widder - Stier bilden in der ägyptischen Sonnensymbolik eine charakteristische Vierheit, die z. B. noch in griechischen Zaubertexten, die den Sonnengott in den zwölf Gestalten des
Stundenzyklus anrufen, den Stunden 6-9 zugeordnet werden
(*2) Methyer: "Große Flut", die kuhgestaltige Verkörperung des Urwassers
(*3) Entstehung des Urgottes aus dem Ei (der kosmogonische Mythos
von Hermupolis)
(*4) Die Achtheit (von Hermupolis): Verkörperungen des Urzustands der
Welt
(*5) Die Entstehung der Menschen aus den Tränen des Urgottes
Text: Ägyptische Hymnen und Gebete (uzh.ch)
Bild: Mehet-weret – Wikipedia
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1 Du Hoher, dessen Lauf man nicht kennt,
wie geheimnisvoll sind deine Erscheinungsformen, erlauchter
Farbenreicher,
der mit seinen göttlichen Augen leuchtet
und bei dessen Untergang die beiden Länder erblinden!
5 Schöne Sonnenscheibe mit leuchtenden Strahlen,
die die geballte Finsternis vertreibt.
Großer Falke, geflügelter Sperber,
Falke, der die beiden Himmel durchläuft!
Der den Gegenhimmel in seiner ganzen Breite durchquert,
10 ohne unterwegs zu schlafen; wenn die Erde hell wird, zeigt er sich an seiner Stelle
als Leuchtender, dessen Lauf man nicht kennt.
Geheimer, Geheimer in der Gestalt der Finsternis,
Dunkler, der die Gesichter unkenntlich macht;
15 Edles Licht mit hellem Schein,
durch dessen Glanz die Menschheit sieht.
Die Luft ist in seiner Nase, der Wind in seinem Innern,
Leben und Tod sind seiner Zustimmung (anheimgestellt).
Er ist es, der die verstopfte Nase atmen lässt
20 und die Kehle eng werden lässt nach seinem Belieben.
Es gibt kein Leben ohne ihn,
wir sind alle aus seinem Auge hervorgegangen.
Gib mir deine Hand, mein Herr,
komm zu mir, du unbestechlicher Richter!
oKairo 25208. Erman, a.a. 0., 27ff.; Scharff, Sonnenlieder, 79; HPEA Nr. 37
Text: Ägyptische Hymnen und Gebete (uzh.ch)
Bild: Horus – Wikipedia
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