Das akkadische "narû" entspricht dem sumerischen "na4 na-ru2-a" und bedeutet "(aufgestellte) Stele", der Determiantiv "na4" deutet darauf hin, dass es sich ursprünglich um das Material Stein handelte. Aus Mangel an stein konnte jedoch auch Ton verwendet werden. Später kam als Material auch Metall hinzu.
Als frühstes "narû" aus der frühdynastischen Zeit, Mitte 3. JT. v.u.Z., ist die sogenannte "Geierstele" von Eannatum von Lagash bezeugt. Die Stele zeigt auch das "erste erhaltene Beispiel eines historischen Reliefs". Obwohl diese Stele im Gebiet des Tempels gefunden wurde, ist vorstellbar, dass es eine Kopie davon als Grenzstein gab, die in Bezug auf den Grenzkonflikt zwischen Lagash und Umma aufgestellt wurde. Auch die sogenannte "Statue B" von Gudea von Lagash (Ende 3. JT. v.u.Z.), sowie die Selbstlobhymnen von Ishme-Dagan (Anfang 2. JT. v.u.Z.), die im Hof des Tempels aufgestellt wurden, werden als "narû" gesehen, da sie in einem ähnlich altem Katalog sumerischer Hymnen so bezeichnet werden. Auch der Codex Hammurapi wird auf seiner Stele im Text als "narû" bezeichnet.
Somit wird der Begriff "narû" auch für Grenzstein, Gesetzstele und komemmoratives Monument verwendet. Das gemeinsame Element in allen Fällen ist der Schriftträger, also die Stele. Der inhaltlich gemeinsame Nenner ist, dass es um das Wort des Königs geht. Im Laufe des 2. und 1. JT. v.u.Z. bezeichnet "narû" dann generell Königsinschriften, was dann nicht nur auf Stelen, sondern auch auf beschriftete Statuen bezogen ist. Neben den Stelen bezeichnet "narû" bereits seit der altbabylonischen Zeit auch die Gründungstafeln, die in den Fundamenten von Tempeln usw. mit verbaut wurden.
Daneben ist der Begriff "narû" aber auch für historisch-epische Texte wie die Kutha-Legende (Fragmente bereits aus dem 2. JT. v.u.Z.) oder den Gilgamesch-Epos belegt.
Die Akkade-Könige bezeichnen ihre Dokumente selbst nicht als "narû" , im Kolophon neubabylonischer Abschriften werden sie jedoch so bezeichnet.
"Narû" ist somit kein Begriff literarischer Klassifizierung (wie bspw. balag, Šuila usw.), sondern bezeichnen die Funktion des Textes und insbesondere den Schriftträger des Textes.
Kutha-Legende:
"Öffne den Tafelbehälter und lies meinen "narû" .."
Aus: "Öffne den Tafelbehälter und lies..." Neue Ansätze zum Verständnis des Literatur Konzeptes in Mesopotamien
von: Beate Pongratz-Leisten
(1) " Offne den Tafelbehalter und lies..." Neue Ansatze zum Verstandnis des Literatur Konzeptes in Mesopotamien | Beate Pongratz-Leisten - Academia.edu
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