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Die Reise der Seele in die Unterwelt

Die Hethiter kannten ein unterirdisches Totenreich mesopotamischer Prägung. Dieses lag in der finsteren Erde, wohin die Lebenssubstanz/Seele des Menschen hinabstieg. Diese Unterwelt, in hethitischen Texten als tenawa-Unterweltsbezirke bezeichnet, wurde als ein übler und trostloser Ort beschrieben, an dem die Seele ihre Verwandten und Nächsten nicht erkennen kann, weil die tenawa sie in Unkenntnis halten. Zudem mussten sich die Seelen dort von Schmutz und Brackwasser ernähren. In die tenawa-Bezirke kamen nach hethitischem Glauben die durch den Tod unvollständig gewordenen Seelen.

Um nicht in den üblen tenawa-Unterweltbezirken enden zu müssen, war es für die Seele von größter Bedeutung ihre Vollständigkeit (heth. iyatar) zurückzuerlangen. Dabei erhielt sie Hilfe von den Bienen, dem Adler, dem laḫanza-Vogel (der Möwe?) und dem ḫuwalaš-Fisch. Diese Tiere beschaffen der Seele jene Materien, die die Seele zur Vervollkommnung benötigt.
Dann wird das Gewünschte (die Materien zur Vervollkommnung) geschlagen. Durch das Schlagen wird die Materie für die neun Körperteile „geöffnet“ und die Seele vervollständigt.

Die vervollständigte Seele nimmt den großen Weg, den unsichtbaren Weg, den der „Herr des Weges“ für sie geordnet hat. Der „Herr des Weges“ scheint eine Art Seelenführer zu sein. Auf jenem Weg weigerte sich die Seele nicht nur die üblen tenawa-Unterweltsbezirke aufzusuchen, sondern da sie sich als gottgleich und rein betrachtete auch den arušan-Bezirk der sterblichen Menschen oder den dašanatta-Ort aufzusuchen, wo sie in den Fluss oder den Teich zu fallen fürchtete. Der einzige Ort, an den die Seele geführt werden wollte, war die Weide. Die Viehweide, galt als Ort, „wo es herrliche Fohlen gibt“. (wohl eine Art Paradies)



CTH 457.7.1

[§ 1]
01 -- [ … ] das Rind schläft,
02 -- das Schaf schläft,
03 -- der Himmel schläft,
04 -- die Erde schläft
05 -- ullāpa kadanki (womöglich eine Beschwörungsformel, Übersetzung unbekannt)
06 -- Wo ist (die "Vollständigkeit") der menschlichen Seele?
07 -- Wohin kam sie? 08 -- Wenn die Vollständigkeit auf dem Berg ist,
09 -- soll die Biene sie herbringen
10 -- und soll sie an ihre Stelle legen;
11 -- oder wenn sie in der Ebene ist,
12 -- soll die Biene sie herbringen
13 -- und soll sie an ihre Stelle legen.
14 -- Wenn sie aber auf dem gepflügten Feld ist,
15 -- soll die Biene sie herbringen
16 -- und sie sollen sie an ihre Stelle legen.
17 -- Die Bienen sollen einen Weg von drei Tagen und vier Tagen zurücklegen
18 -- und sollen die Vollständigkeit herbringen.
19 -- Wenn die Vollständigkeit aber im Meer ist,
20 -- soll der laḫanza-Vogel sie herbringen
21 -- und er soll die Vollständigkeit an ihre Stelle legen.
22 -- Wenn die Vollständigkeit aber im Fluss ist,
23 -- soll sie der ḫuwala-Vogel herbringen
24 -- und er soll sie an ihree Stelle legen.
[§ 2]
25 -- Und was aber aus dem Himmel ist,
26 -- der Hasen ergreifende Adler soll es mit seinen Klauen herbringen.
27 -- Möge der (Herbei-)Gewünschte (d.h. die Vollständigkeit) mit seinen Klauen geschlagen werden.
28 -- Möge der Ziegenbock ihn (sie) mit den Hufen schlagen;
29 -- möge der Widder ihn (sie) mit den Hörnern schlagen;
30 -- möge das Mutter-Schaf ihn (sie) mit der Schnauze schlagen.
31 -- Die Muttergöttin ist weinend
32 -- und sie ist mit Tränen befallen.
33 -- Was Gutes für sie auf ihren neun Körperteilen geboren/erzeugt ist,
34 -- möge sie in Bezug auf sie (d.h. die Körperteile?) geschlagen sein.
35 -- Die Seele aber ist üppig und in ihre Körperteile zerlegt.
36 -- Für sie soll keine Orakelanfrage gemacht werden.
[§ 3]
37 -- – „Groß ist die Seele,
38 -- groß ist die Seele“. –
39 -- – „Wessen Seele ist groß?“ –
40 -- – „Es ist die menschliche Seele“. –
41 -- – „Welchen Weg legt sie zurück?“ –
42 -- – „Sie legt den großen Weg zurück;
43 -- sie legt den unsichtbaren Weg zurück.
44 -- Der Reisende bereitet sie (d.h. die Seele) vor.
45 -- Eine Reinheit der Sonnengottin der Erde ist die Seele,
46 -- die Seele gehört den Göttern .“ –
47 -- – „Warum gehe ich, der Sterbliche, abseits?
48 -- Ich werde in den/die/das dāšana- gehen,
49 -- ich werde in einen Fluss fallen,
50 -- ich werde in einen Teich fallen,
51 -- ich werde in den/die/das tenawa gehen,
52 -- ich werde [ … ] gehen.
53 -- Der/die/das böse tenawa- [ … ]
54 -- In eine Wiese nicht …
55 -- [ … ] … [ … ]
(Lücke unbestimmbarer Größe)
[§ 4'] zu fragmentarisch für eine Übersetzung
[§ 5''] zu fragmentarisch für eine Übersetzung
[§ 6''] zu fragmentarisch für eine Übersetzung
[§ 7''']
107 -- [ … ] ... [ ... ]
108 -- [ … ] ... [ ... ]
109 -- Er/sie nimmt es mit der linken Hand
110 -- und trinkt es aus.
111 -- Es gibt Lapislazuli, neun unverzierte [ … ] Steine.
112 -- Dabei gibt es aber [ … ] Wolle, einen Spinnrocken und eine Spindel von einem Schekel aus Gold.
113 -- Die schwarze Wolle ist umgewickelt.
[§ 8''']
114 -- Es gibt sieben šamama-, sieben līti-(?), sieben trockene Weintrauben, sieben šanḫuwa-.
115 -- Sie sind auf ein tīpa- geschüttet;
116 -- er/sie nimmt sie aus? dem/der … [ … ]
117 -- und er/sie frisst sie.
118 -- Ein kureššar-Stoff … [ … ] liegt auf dem Tisch.
119 -- Ein Soldatenbrot liegt aber darunter.
120 -- Es gibt Silber, Gold, Zinn, Eisen, Kupfer, Blei und lulluri-Stein.
121 -- Er/sie hält sie (d.h. die Steine) mit seiner linken Hand vor seinen/ihren Lippen.
122 -- Sie schlagen das galgalturi-Musikinstrument.
[Kol.]
123 -- Auf dieser Tafel sind zwei Reden behandelt.


Citatio: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 457.7.1 (TRde 20.12.2012)

http://www.hethport.uni-wuerzburg.de/txhet_besrit/translatio.php?xst=CTH%20457.7.1&expl=&lg=DE&ed=F.%20Fuscagni



CTH 457.7.2

[§ 1]
01 [ … ]
[§ 2]
02 [ … ]
03 [ … ] das böse tenawa-  …
04 [ … ] erkennen sie nicht [ … ];
05 sie erkennen einander nicht;
06 die Schwestern erkennen sich nicht;
07 die Brüder erkennen sich nicht;
08 die Mutter erkennt nicht den Sohn;
09 der Sohn erkennt nicht die Mutter
10 [ … ] erkennt nicht …
11 [ … ] erkennt nicht ...
12 Sie essen nicht von dem erstklassigen Tisch;
13 sie essen nicht von dem erstklassigen Schemel;
14 sie trinken nicht aus dem erstklassigen Becher;
15 sie essen nicht das gute Essen;
16 sie trinken nicht das gutes Getränk;
17 sie essen Schlammklumpen;
18 sie trinken schlammige Wasser.
[§ 3]
19 Abmagerung(?) [ … ]
20 auf ihr [ … ]
21 und der Vater …
22 [ … ] … [ … ] (Lücke unbestimmbarer Größe)
[§ 4'] zu fragmentarisch für eine Übersetzung


Citatio: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 457.7.2 (TRde 19.12.2012)
http://www.hethport.uni-wuerzburg.de/txhet_besrit/translatio.php?xst=CTH%20457.7.2&expl=&lg=DE&ed=F.%20Fuscagni



CTH 457.7.3

[§ 1] 
(1-5 zu fragmentarisch für eine Übersetzung)
6 Ich werde in den/die/das dāšana- gehen.
7 Ich [ … ] des Wolfes …
8 … [ … ]
9 ich werde in den/die/das tenawa gehen,
10 ich werde den bösen Weg des tenawa begehen.
11 [ … ] der böse Weg … [ … ] … [ … ]
12 Der Obsidian (ist) abgewischt.
13 [ … ] ist besprengt
14 [ … ] ihn/sie … [ … ] … [ … ]
15 Er/Sie ist auf den Getreidehaufen geblieben
16 und der Vater Sonnengott ihn/sie in den Himmel [ … ]
17 Er/sie geht [ … ]
18 Rein ist [ … ] des Sonnengottes
19 auch die sterbliche Seele ist … .
20 Er/sie hält [ … ] …
21 … [ … ]
22 [ … ] den unsichtbaren Weg böse …
23 [ … ] der böse unsichtbare Weg …
24 [ … ] kam er/sie 
25-28 zu fragmentarisch für eine Übersetzung 


Citatio: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 457.7.3 (TRde 19.12.2012)





Allani, gefolgt von Išḫara und Nabarbi im hethitischen Felsheiligtum Yazılıkaya

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