Die legendäre Erzählung von der Königin von Kanesch/Nescha und ihren dreißig Kindern, CTH 3
Texte:
A. KBo 22.2
B. KBo 3.38
C. KUB 48.79 (Bo 7858).
Die Originaltontafeln werden in Berlin und Ankara aufbewahrt.
01. Die Königin von Kanesch gebar in einem einzigen Jahr 30 Knaben. Erstaunt darüber, sprach sie folgendermaßen:
02. »Was habe ich für walkuwa-a geboren?« Sie füllte einen Behälter mit Mist,
03. setzte ihre Kinder hinein und ließ sie zum Fluß hinab. Der Fluß aber
04. schleppte sie zum Meer, (nämlich) zum Lande Zalpuwa. Die Götter nahmen die Kinder aus dem Meer
05. herauf und zogen sie groß.
06. Nachdem (einige) Jahre dahingegangen waren, gab die Königin weiteren 30 Töchtern Geburt.
07. Diese zog sie (aber) einzeln selbst auf. Die Söhne gehen (irgendwann) zurück nach Nescha.
08. (Dabei) treiben sie einen Esel. Als sie in die Ortschaft Tamar [mara] gelangten, sprachen sie zu den Bewohnern:
09. »Hier habt ihr die Halle eingeheizt, (auf daß) der Esel bespringt«. Folgendermaßen die Bewohner der Ortschaft:
10. »Wohin wir auch immer gelangt sind, da bespringt der Esel.«
11. Folgendermaßen (antworten) die Kinder: »Wohin wir auch immer gelangt sind, da gebiert eine Frau nur ein Kind in einem Jahr.
12. Unsere Mutter hat uns aber auf einmal geboren.« Folgendermaßen die Bewohner der Ortschaft: »Abermals hat unsere Königin von Kanesch
13. 30 Töchter auf einmal geboren; ihre Söhne sind aber verschwunden.« Da dachten die Kinder:
14. »Wen suchen wir denn noch? Unsere Mutter haben wir gefunden!
15. Kommt, wir wollen uns nach Nescha begeben!« Während sie (nun) unterwegs nach Nescha waren,
16. da setzten ihnen die Götter ein anderes Herz ein, so daß ihre Mutter sie
17. nicht wieder erkennen konnte. So gab sie ihren Söhnen (ihre eigenen) Töchter als Ehefrauen.
18. Die ersten Söhne konnten ihre Schwestern nicht erkennen. Der letzte aber
19. erkannte sie: »Wollen wir denn unsere Schwester als Frauen nehmen? Wir wollen nicht so eine Freveltat begehen!
20. Es ist gegen die (guten) Sitten!« Die übrigen Brüder schliefen jedoch mit ihren Schwestern.
Eventuell geht es hier um die historische Widerspiegelung der Machtergreifung der indoeuropäischen Hethiter nach ihrer Einwanderung in Anatolien. So betrachtet wird in der vorliegenden Geschichte diesem Mißverständnis Nachdruck verliehen, indem im abgebrochenen TeildesTextesdieausderGeschwisterehehervorgegangenenNachkömmlinge–indenAugen der patriarchalischen Hethiter pure Bastarde! – in Zalpa an die Macht gelangten. Dieses Mißverständnis diente wohl als Mittel zur politischen Propaganda in den nachfolgenden, brutal geführten Kriegen gegen das anatolisch-hattische Lokalkönigtum von Zalpa schon unter Hattuschili I. und dessen daraus resultierender völliger Zerstörung.
Ḫattušili und Puduḫepa opfern dem Wettergott und der Ḫebat, Felsrelief von Fıraktın.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tarḫunna
https://de.wikipedia.org/wiki/Tarḫunna
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