Selbst mich liegend sahe ich mit schmerzenden
Füßen auf dem Kamm des Hügels unter jenem
Baum, dessen stolzer Stamm sich auch noch
reckt gen Himmel nach Jahren der Enttäuschung.
Und dort unten sehe ich den See, wo in dem
wie flüssige Jade glänzendem Wasser hingetaucht
ist die Königin Puabi, wie Seide leuchtend ist
ihr Haar, als sie hinaufschaut auf den Felsen,
wo thronend sitzt mit bloßen Fesseln lächelnd
Siduri, die Schwester.
Ia.
Puabi und Siduri, die Schwestern, lieben einander
so sehr, daß sie jedes Mal, wenn einander sie begegnen,
sie sich küssen, sehr ähnlich dem, wie der Freund
das mit der Freundin tut. Dann sind sie beide ein
Ganzes und die Hälfte eines Ganzen, von dem ich die
andre Hälfte bin. So weiß ich nicht, wen von Beiden ich
lieben soll, liebe ich doch Beide, sind beide meine
Königinnnen, wenn ihr wallendes Haar auf meine Schultern
fällt und jede von ihnen mir ein Lied der Nansche ins Ohr flüstert,
die lange schon verstorben, ihres Vaters
unvergessner Sänger war. Und sie singen neue Lieder mit
mir, wenn Euphrat und Tigris sich östlich Ur ins Meer
ergießen, über das man mit Schiffen Gold und Baumharz bringt,
wo man hört die fremden Sprachen in allen Ländern fremder Zunge,
über die sie, was sie von den Seeleuten hörten,
mit Seide und mit goldenen Ketten sich geschmückt, selbst gedichtet.
Oh, ich liebe Dich, Puabi, denn Du bist die Sonne,
Und ich liebe Dich, Siduri, denn Du bist der Mond,
Und ich lobe Dich, Etemenanki, Feste von Babel,
denn Du bist der Urgrund der Erde,
und Inanna, ich lobe Dich, denn Du schufst mich
als einen Stern im Himmel, damit auf ewig
Puabi ich und Siduri verehre.
Ib
Siehe sie unten mit ihren nassen Haaren tollen,
während meistens eine oben sitzt auf diesem
Felsen, mit des Kammes Zinkengewirke sie durchfährt,
fröhlich blickend der andern ihren Kuß zuwirft.
Siduris Lachen ist wie das der Rose, und
Puabis Lachen ist ihm gleich, so blicken sie in mein
Gesicht, während ich mich mit Mühe ihnen nahe,
die nicht kennen die Welt jenseits ihren Gartens,
nicht geküßt sind sie von einem anderen Mann außer mir,
und die nur mich gewollt, weil der Verwirrteste ich war,
und durch Enheduanna, die der Inanna zwei Nächte
durch ihre Lieder sang, geheilt bin worden.
http://www.martin-ebers.de/alteTexte/Yang/28072001.html
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Puabi, Königin der 1. Dynastie von Ur, 26.Jh.v.u.Z.
Siduri, Frau des Königs Sargon II., Ende 8.Jh.v.u.Z.
Puabi, die Königin
ED IIIb (ca. 2500-2340 BC)
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