Oft hat Isis gezeigt, wie sie Heka, die Magie – meist Gefährte und Helfer des Ra - , beherrschte. Von ihr wurde erzählt, dass sie ihres Lebens unter den Menschen überdrüssig geworden war und unter Göttern und Sternen zu leben wünschte. Sie überlegte sich, ob sie nicht die Herrin der Erde und die Herrscherin aller Göttinnen werden könne, und hoffte diese Stellung von Ra dadurch zu erpressen, dass sie seinen geheimgehaltenen Namen herausbrächte. Für die Ägypter war mit dem Glauben an Zaubersprüche und Beschwörungen die Vorstellung verbunden, dass man durch das Wissen eines Namens Macht über die betreffende Person bekäme, entweder weil damit der Schlüssel zu ihrem Wesen gegeben war (denn die Person war vom Namen nicht zu trennen) oder weil man so die Möglichkeit gewann, Zaubersprüche gegen den Betreffenden auszusprechen.
Isis nutzte die Tatsache, dass Ra alt geworden war und ihm der Speichel vom Munde troff, für sich. Aus diesem auf die erde fallenden Speichel und dem sich damit verbindenden Staub formte sie eine Viper und legte sie auf den Weg, den Ra täglich durch die beiden Länder nahm. Als am folgenden Tag der Gott vorbeikam biss ihn die Schlange. Das Feuer loderte aus Ra, und er schrie heftig auf, so dass alle Götter zu ihm stürzten. Der mächtige Gott war nicht imstande, die Wunde zu heilen, die ihm ein nicht von ihm geschaffenes Geschöpf geschlagen hatte, und keines seiner Kinder konnte ihm helfen; sie konnten nur sein Los beklagen.
Scheinbar ahnungslos näherte sich ihm nun Isis und fragte ihn besorgt, was denn geschehen sei:
„Hat eine giftige Schlange dich gebissen? Ist es möglich, dass sich eines deiner eigenen Geschöpfe gegen dich gewandt hat? Ich werde es mit meinen Zaubersprüchen besiegen. Zurückschrecken soll es vor dem Angesicht deiner Majestät!“
Darauf schilderte Ra, wie er auf seiner täglichen Bahn von einer Schlange angegriffen worden sei, und erzählte Isis, welche fürchterlichen Schmerzen er leide.
"Das ist kein Feuer, das ist kein Wasser, denn ich bin kälter als Wasser und heißer als Feuer und schwitze am ganzen Körper. Mich fröstelt und mein Blick zittert, so dass ich den Himmel nicht sehen kann.“
Isis erwiderte:
“nenne mir deinen Namen, göttlicher Vater, denn ein Mann lebt, wenn sein Name ausgesprochen wird.“
Ra antwortete also:
„Ich bin der Schöpfer der Erde und der Berge und alles dessen, was auf Erden ist. Ich schuf das Wasser, ich schuf den Himmel und füllte sie mit der Seele der Götter. Wenn ich meine Augen öffne, bricht der Tag an, und wenn ich sie schließe, senkt sich die Nacht herab. Auf mein Geheiß fluten die geheimnisvollen Wasser des Nil über das Land. Ich schuf die Stunden und die Tage. Ich gebe das Zeichen für die Feste des Jahres und gestalte den Strom. Ich bin Chepri am Morgen, und ich bin Atum am Abend.“
Aber all das half Ra nicht, denn er hatte seinen geheimen Namen noch nicht ausgesprochen.
Isis erinnerte daran, dass sie nichts vermöge, bevor er ihr nicht seinen wirklichen Namen anvertraut habe. Sobald er ihn ihr aber genannt habe, könne sie ihn heilen. Schließlich sah Ra ein, dass ihm nichts anderes übrig bleibe, als Isis nachzugeben. Er verbarg sich daher vor den anderen Göttern und ließ seinen geheimen Namen direkt aus der Brust in die der Isis übergehen, dann verbot er ihr, diesen Namen irgend jemand anderem als ihrem Sohn Horus mitzuteilen. Isis rief ihren Sohn und sagte ihm, dass Ra versprochen habe, ihm seine beiden Augen zu geben und erst dann trieb sie das Gift aus ihm aus.
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